Die magischen Bildformeln wurden stets durch Symbolrunen kommentiert und über Runenzahlen und -werte magisch aktiviert. Wie geht Erilaz aber hier dieses Thema an?
Wenn nun dem Text auch keine aus neun Runen geformte magische Formel vorausgeht, so setzt er doch auf der oberen Leiste mit einem namensgleichen Begriff ein: Herhos. Die erste Rune am bedeutungsreichen Fleck ist (hagal) "Hagel", gleichbedeutend mit Unglück und Verderben, und alliteriert mit h in hærmberge. So beschreibt die erste Langzeile die Situation recht treffend, wird aber wohl nicht magisch wirksam.
Die zweite Langzeile alliteriert nach unserer Lesung auf (ac) "Eiche" und (eh) "Pferd". Beide Symbole berühren den sakralen Bereich, die Eiche als der traditionelle Baum des heiligen Hains, und das Pferd, auch als Gegenstand kultischer Verehrung. Zugleich heißt es im Altnordischen: marr er manns fylgja, "das Pferd ist des Menschen... fylgja". Dieses folgende Wesen, ist auch Bezeichnung für die Walküre. Somit steht diese Rune auch für Treue und Verläßlichkeit, letztlich dann für die Beziehung von Mann und Frau; - nach damaligem Verständnis allerdings (<:=
Wenn der Wald in unserem Bild ein Eichenhain ist, wenn Pferd und Walküre an dieser Stelle auftreten, dann wird der Wechselbezug zwischen den alliterierenden Runen der Inschrift und den Komponenten der Darstellung (und damit die magische Absicht) deutlich. Noch eindeutiger wäre die Aussage allerdings, wenn entgegen der christlichen Umdeutung das alliterierende A, ([ac]), in AGLAC noch als Ase (= Woden, Odin) verstanden wurde, denn neben E, Rune (eh) "Pferd", in ERTA deutet dies auf das Pferd (an. Sleipnir) des Totengotts hin, wobei AGLAC ("Unglück") ein besonders passendes Wort für diesen Asen wäre.1
Es mag Zufall sein, daß hier nun die rechte Leiste 9 Runen trägt; aber diese Runen formen zwei Wörter, drigiþ swa, "(er/sie/)es wirkt so", was auf eine magische Formel deuten kann. Wahrscheinlich wird dies, wenn wir den Runenwert dieser Formel (110) mit dem Gesamtwert (330) der drei magischen Formeln (auch jeweils zwei Wörter) auf den linken Leisten vergleichen. Demnach bestehen die Beschwörungsformeln aus 9 Runen mit einem Runenwert, der auf 11 basiert (idealer weise hier das 10fache mal 3).
Die magische Formel "aktiviert" die Symbolrunen der dritten Langzeile. Hier alliterieren, metrisch korrekt, drei s-Runen, (sigel), "Sonne", gleichbedeutend mit Licht und Leben. Da dies nun ein Segenswunsch ist, wird drigiþ swa tatsächlich eine magische Formel sein. Unser Held soll nicht im Schattenreich der Hel verkümmern, sondern sich zu Wallhalls Helden gesellen. Um dies zu fördern, hat der Runenmeister durchgängig die tödlichen i-Runen (Tod) als mehrfach gezackte s-Runen (Leben) wiedergegeben. Damit wird der Tod in sein Gegenteil verkehrt. sichern unserem Helden das ersehnte Sein in Walhalla.
Zählen wir nun Runen und Zeichen (Vokale und Binderune) zusammen, kommen wir 74 Typen. Magisch wären 72; aber wie bereits gesagt, diese Platte hat eher apotropäische Funktion, sie soll Schaden abwehren, nicht aber Gutes mehren. Aber auch diese 74 ist Teil eines größeren Konzepts, wie wir in der Zusammenschau noch sehen werden.
Tatsächlich ist ein numerisches System zu erkennen. Da waren zunächst die 9 Runen auf der rechten Leiste. Dann sind da die Scheinrunen, die anstelle der Vokale stehen. Es sind 27 (3 x 9) Zeichen. Ihre Anzahl ist auf allen Leisten (9 + 3 + 12 + 3) durch 3 teilbar. Zufall?
Bleibt noch der Blick auf den Runenwert. 1008 verkündet mein Rechner. Diese unscheinbare Zahl ist ein wahres Multitalent, denn sie ist teilbar durch 2 (x 504), 3 (x336), 4 (x 252), 6 (x 68), 7 (x 144), 9 (x 112), 12 (x 84), 14 (x 72), 16 (x 63), 18 (x 56), 21 (x 48), 24 (x 42) usf.
Das führt zu einem äußerst bemerkenswerten Ergebnis: 1008 ist nicht nur durch die Werte von (9) und (16) teilbar, sondern auch durch 2 x und, wichtiger noch, durch 3 x teilbar.
Nun sind 2 x und 3 x taktragende Runen; dazu kommen (a) und (e). In Zahlen umgesetzt: 9 + 9 +25 + 19 + 16 + 16 +16 = 110. Das ist die magische Zahl auch der Inkantationsformel hier und (als Summe 330) auf den linken Leisten der Platten F, R und T.
Wieder gilt die Feststellung, daß einzelne Ergebnisse zufallsbedingt sein mögen. Je öfter sie sich aber wiederholen, desto wahrscheinlicher werden sie.
1Arntz, Handbuch der Runenkunde (1944), S. 278 verweist auf Marstrander, NTS. 1, S. 76f zu Pferd und Reiter auf Brakteaten und führt aus: "Das Sonnenpferd kommt ursprünglich dem Himmelsgott zu (t e); in jüngerer Zeit - und gewiß schon im 6. Jahrh. - bilden aber Sleipnir und Odin eine feste Einheit (e a)."
Somit würden ursprünglich die Runen und das Sonnenpferd des Himmelsgottes Tir (engl. Tiw) bezeichnet haben, wofür später die Runen und gesetzt wurden, um das Pferd des Totengottes zu zitieren.
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