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Oder: ... mehr als eine alte Schachtel

Das Kästchen

Das Runenkästchen ist aus Walknochen (nicht etwa aus Walroßzahn!) gefertigt. Die Materialangabe war kein Qualitätssiegel (wie z.B. 'echt Plastik'), sondern betonte die Wirksamkeit des Knochens, den man als Sitz der Kraft des 'Fisches' ansah, ähnlich wie die Kraft der Heiligen besonders in deren Knochen vermutet wurde. Manche Materialien (bestimmte Hölzer, Knochen oder Metalle) hielt man für speziell geeignet, magische Runen (eventuell mit Blut gerötet) zu tragen, andere wird man gemieden haben.

Wegen der Plattengröße wird man dafür Knochenteile vom Kiefer des Tieres verwendet haben. Die Tafeln haben folgende Maße:

  Vorder- und Rückseite

die Schmalseiten

der Deckel (soweit erhalten)

ca. 23 cm x 10.5 cm

ca. 19 cm x 10.5 cm

ca. 22,5 cm x 8.5 cm

Die vier Seitenplatten sind mit je zwei Zapfen an den Schmalseiten in die vier rechtwinkligen Streben eingelassen, die so die senkrechten Außenkanten bilden. Wie Bohrlöcher erkennen lassen, waren Platten und Streben durch Stifte fest miteinander verbunden. Silberne Laschen verdeckten diese unbearbeiteten Stellen. Die Bodenplatte war in die so zusammengefügten Platten und Kanten eingelassen.

Der Deckel, von dem allein die mittlere Bildleiste erhalten ist, war auf ähnliche Weise mit den jetzt fehlenden Teilen verbunden. Ursprünglich hat er, wie die ausgesparte Stelle dort zeigt, einen kreisrunden Beschlag getragen. Gewöhnlich vermutet man hier einen knopfförmigen Griff; nach unserer Deutung eher eine Scheibe als Symbol der Sonne. Dieser Beschlag, wie auch Schloss und Eckverbindungen waren, wie die Fundgeschichte behauptet, aus Silber gefertigt.

Demnach befand sich das Kästchen Mitte des 19. Jh. im Besitz einer Bürgerfamilie in Auzon, Haute Loire (Frankreich). Dort hatte es als Nähkästchen gedient, bis ein Sohn des Hauses die Silberteile demontierte, um sie zu 'versilbern', d.h. für einen Silberring einzutauschen. Damit zerfiel der Behälter in seine Einzelteile. Diese nun entdeckte ein Professor Mathieu aus dem nahen Clermont-Ferrand, der sie an einen Antiquitätenhändler in Paris vermittelte. Dort entdeckte sie 1857 der Kunstsammler und Archäologe, Sir Augustus W. Franks. Er erkannte als erster den angelsächsischen Ursprung der Schnitzerei, kaufte sie auf und überließ sie später dem Britischen Museum, London.

Eine Platte allerdings fehlte. Die rechte Tafel wurde später in einer Schublade bei jener Familie in Auzon gefunden und gelangte aus dem Besitz eines Herrn Carrand aus Lyon in die Sammlungen des Bargello Museums, Florenz. In London komplettiert nun ein Abguß dieser Seite das zusammengefügte Kästchen. Vermutlich sind alle Schnitzereien erhalten geblieben, während die verlorenen Stücke wohl nur mit Silberblech beschlagen waren und deshalb nicht aufbewahrt wurden.

So heißt es nun nach seinem Fundort 'Runenkästchen von Auzon' oder nach seinem Finder 'Franks Casket' und steht geschützt und klimatisiert zwischen den Funden aus der Zeit der Angelsachsen in Mittelalterabteilung des Britischen Museums. Welcher Besucher, der an dem Exponat vorbeigeht, erkennt die Bilder, kann die Inschriften lesen oder ahnt gar etwas von der geheimnisvollen Kraft, die der Meister in seinem Werk verlieh?

 

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Quelle: https://www.franks-casket.de Page Top Page Top © 2023 email
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